Ein Reh hat die Augen eines unschuldigen Kindes, Tl.2

An das Leben in deinem Habitat (im dichten Unterholz) angepasst, sind dem Reh bestimmte Sinnesleistungen zu eigen, mit denen es in seinem Lebensraum sowohl Fressfeinde als auch Artgenossen gut wahrnehmen kann. Diese Wildtiere mit den sanften Augen verfügen über ein gutes Gehör; denn Laute, mit denen sie sich verständigen, müssen gehört werden. Auch Gefahren können sie rein akustisch hervorragend erkennen,

Ein relativ großes Sehfeld erlauben die sich seitlich am Kopf befindlichen schwarzbraunen Augen. Ohne den Kopf zu drehen, erkennen sie alle Bewegungen um sie herum. Im Dickicht ist allerdings die Sichtweite naturgemäß eingeschränkt, daher ist – neben den funktionstüchtigen Augen und Ohren – ein gut entwickelter Geruchssinn außerordentlich hilfreich

Die geruchsorientierten Tiere können Duftsignale (die durch abgesonderte Drüsensekrete auch der der innerartlichen Kommunikation dienen) über weite Entfernungen erkennen, z.B einen Menschen aus einer Entfernung von 300 bis 400 Metern.

 Dem nachtaktiven Haarwild, wozu auch die Rehe zählen, wird durch einen schlauen Trick der Natur nachts die Sehstärke verbessert, ihre Augen leuchten in der Dunkelheit durch einen glänzenden Belag hinter der Netzhaut des Auges, das sog. „Tapetum lucidum“ - die „leuchtende Tapete“. Ein Reh sieht nie Rot, es kann nämlich vor allen Dingen Blau- und Gelbtöne erkennen, seine Welt ist also nicht Grau-in-Grau. Hirschartige können wie Vögel UV-Licht erkennen.

  Im Gegensatz zu anderen Hirscharten kommt es bei Rehen zur sog. „Keimruhe“, d.h. Das befruchtete Ei entwickelt sich erst ab Dezember, die Geburten erfolgen dann erst im Mai und Juni des kommenden Jahres-

Es wurde festgestellt, dass Rehe – unabhängig von der Äsungszeit – ihre Tragzeit selbst bestimmen können. Beginnt das Frühjahr sehr spät, verlegen auch die Rehmütter die Geburten ihrer Kitze auf eine spätere Zeit, sie steuern als ihre Geburten auf die günstigste Zeit Die Gesamttragezeit beträgt durchschnittlich 290 Tage bzw. 9,5 Monate. Die Fähigkeit, die Keimruhe anzupassen, ist eine einzigartige Fähigkeit unter den Huftieren, die ermöglicht, dass Brunft und Säugezeit zusammenfallen und in sich in einer Jahreszeit ereignen, in der ein großes, qualitativ hochwertiges Futterangebot besteht. Das Muttertier wählt kurz vor der Geburt einen passenden Platz aus, vorwiegend wenig bewachsen, in der Nähe von nicht einsehbarem Dickicht. In Heu-Graswiesen sieht man gelegentlich zwei Quadratmeter große Flächen, in denen das Gras von den Ricken niedergewälzt wurden. Während des Geburtsvorganges liegen die Ricken meistens auf der Seite, selten stehen sie mit gegrätschten, leicht angewinkelten Hinterläufen.Von der Anzahl der Kitze hängt die Dauer des Geburtsvorganges ab, normalerweise vier bis 5 Stunden, im Vergleich zu anderen Huftieren ausgesprochen lang. Die Anzahl der Kitze pro Geburt ist abhängig vom Alter und der körperlichen Verfassung der Ricke. Gleich nach der Geburt versucht sich das Kitz aus der Embryonalhülle zu befreien und gibt nach drei bis zehn Minuten hohe Kontaktlaute von sich. Auf diese Laute versucht das Muttertier das Kitz durch Ablecken zu säubern. Auch Boden und Pflanzenteile werden von Blut, Embryonalhüllen und Nachgeburt gesäubert, hierdurch verschwinden auch die Witterungsspuren der Geburt. Erstaunlich: Schon nach sechs bis zwanzig Minuten nach seiner Geburt beginnt das Kitz mit den ersten Stehversuchen, kann normalerweise nach einer halben bis eineinhalb Stunden nach der Geburt stehen und versucht nach einer bis zu die Stunden die ersten, wobei es ihm erst nach zwei Tagen gelingt, die Läufe zu koordinieren und galoppiert nach drei bis vier Tagen. Leider ist das Sehvermögen des Jungtieres in ersten beiden Stunden schlecht, deshalb orientiert es sich in dieser Zeit nach dem Gehör.

 

 

Das kleine Rehkitz bleibt etwa drei bis 4 Wochen in der Deckung zurück, während die Mutter äst, bis sie zum Säugen zurückkehrt. Es hat sich einen Liegeplatz selbst gewählt, liegt eingerollt in Bauchlage am Boden. Dies hat das Muttertier nur insofern beeinflusst, dass sie einen passenden Geburtsort gesucht und gefunden hat, mit reichem Unterwuchs und gutem Sichtschutz von oben. Da das „Abliegen“ energetisch sinnvoll ist für das Junge und das Muttertier, handelt es sich dabei um eine Instinkthandlung; schon nach 3 Tagen wären das Kitz schon fähig, der Mutter über längere Strecken zu folgen. Aber ruhende Kitzen verbrauchen wenig von der aufgenommen Nahrung für ihre Bewegung, was ein schnelleres Wachstum ermöglicht, außerdem haben sie im Dickicht mehr Schutz vor Fressfeinden. Täglich wechseln Kitze die Liegeplätze, oft findet sich der neue Liegeplatz nur 100 bis 200 m vom vorigen Liegeplatz entfernt, bevorzugt unter Büschen mit tief hängenden Ästen oder mit 30 bis 50 cm hoher Vegetation.

Wird ein Kitz längere Zeit nicht gesäugt, beginnt es leise Fieplaute von sich zu geben, Kontaktlaute, die sich in Extremfällen zu einem zweisilbigen Laut steigern können und bis zu 30 bis 40 mal wiederholt werden. Ein schriller, heller Fieplaut, lässt das Muttertier schnell herbeieilen; denn es ist der Angstschrei des Jungtieres. Ricken können ssehr wehrhaft mit den Schlägen der Vorhufe ihren Nachwuchs gegen Füchse, Katzen, Hunde und gegebenenfalls auch gegen Menschen verteidigen. Bei raschen Bewegungen in der Nähe, Lärm, fremden Gerüche oder anderen Störungen lassen die Kitze starr an den Boden gepresst, mit angewinkelten Läufen und an den Boden gepresstem gestrecktem Hals verharren. Ein rettendes Fluchtverhalten, beispielsweise vor Mähmaschinen, setzt erst im Alter von vier Wochen ein. Nach dieser Zeit lösen nur noch sehr hohe Feindreize das typische Sich-an-den-Boden-drücken aus, z,B, auch bei deutlich älteren Tieren, die sich vor annähernden Menschen nicht rechtzeitig durch Flucht entfernen konnten.

 

Ricken adoptieren bis zu drei Wochen nach der Geburt auch fremde Kitzen, wenn sie dem Alter ihre eigenen Jungtiere entsprechen oder bis zu drei Wochen alte Kitzen können sich fremden Ricken anschließen. Die Prägungsphase zwischen Muttertier und Kitz, die nicht mehr zu revidieren ist, endet in der vierten bis fünften Woche. Ab vier Wochen beginnen die Kitze mit der Begleitung ihrer Mutter, möglichst nah, in ihrem Windschatten. In dieser Zeit erweitert sich der Aktionsraum von Ricke und Kitz deutlich. Es ist die Zeit, in der viel Äspflanzen verholzen, die Nahrung wird eiweißärmer und schwerer verdaubar, Dann erlauben die Rehmütter nur noch das zweimalige Saugen am Tag, im Alter von 10 Wochen stellen die Kitze endgültig das Saugen ein. 

Ab der vierten Lebenswoche bis zum Alter von 6 Monaten erlernen die Kitze spielerisch die Elemente des Brunft-, Kampf- und Markierverhaltens mit anderen Artgenossen, dazu gehören Imponier- und Demutsverhalten, auch Drohbewegungen gegenüber Artgenossen gehören zum Spiel , z.B. das Scharren mit den Vorderhufen. Aber die Verhaltensmuster zeigen noch keine Verhaltenssequenzen, wie sie erwachsene Rehe bei Auseinandersetzungen zeigen. Mitte März bis Ende Mai lösen sich die Familienverbände auf. Zuerst gehen die männlichen Tiere, später die weiblichen. Das Muttertier fordert in dieser Zeit den älteren Nachwuchs nicht mehr auf, ihm zu folgen, es kann im Gegenteil eher ein abweisendes Verhalten gegenüber dem älteren Nachwuchs. In der Zeit der Abwanderung ist das Äsungsangebot sehr gut, die vorjährigen Jungtiere finden in ihr in Sommerhabitat in einer Region die weniger als fünf Kilometer von ihrem Geburtsort entfernt ist. Männliche Jungtiere ziehen weiter entfernt als die weiblichen, doch sind sie bereit, ein eigenständiges Leben zu führen, mit allem, was sie vom Muttertier und durch eigene Erfahrungen gelernt haben. Sie werden eigene Familien gründen, das Rad des Lebens dreht sich erneut.